Frühstück im Atelier, 1868

Hochkarätige Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle
"Manet - Sehen. Der Blick der Moderne"

Die Hamburger Kunsthalle feierte ihre Wiedereröffnung im Mai 2016 mit der spektakulären Ausstellung Manet – Sehen. Der Blick der Moderne. Das Haus präsentiert bis zum 4. September 2016 rund sechzig Meisterwerke von Édouard Manet: seine Frühwerke, Porträts, Druckgrafiken und seine Gemälde Nana, Der Balkon, Das Frühstück im Atelier, Im Wintergarten.

Bilder, welche in den Pariser Salon-Ausstellungen einen Sturm der Entrüstung auslösten. Das Publikum war schockiert; die Kunstkritiker überzogen den Maler mit Hohn und Spott. "Monsieur Manet. Bislang hat er sich zum Apostel des Häßlichen und Abstoßenden gemacht. Glaubt Monsieur Manet, dass sich hinter seiner Exzentrik eine wahre Begabung zum Künstler verbirgt? Da täuscht er sich." (Felix Jahyer, Mai 1865)

Die Bilder in der Hamburger Kunsthalle zeigen Manets Bruch mit der traditionellen Kunstauffassung im damaligen Paris. Sie zeigen seinen eigenen, individuellen Blick auf die moderne Kunst. Die Ausstellung umfasst Bildpaare, die er für die jährlich stattfindenden Pariser Salon-Ausstellungen einreichte und die von der Jury abgelehnt wurden. Die Ausstellungen im Salon de Paris waren in der Pariser Kunstszene nicht nur ein gesellschaftliches Ereignis, sondern boten auch den Künstlern die Möglichkeit, ihre Werke dem Publikum, der Presse und vor allen Dingen potentiellen Käufern vorzustellen. Rund 3.000 Künstler nahmen teil; bis unter die Decke hingen die Gemälde. Für seine erste Ausstellung im Salon 1858 wählte Manet Der Absinthtrinker, die Darstellung eines Lumpensammlers. Das Bild wurde abgelehnt.

Im Wintergarten, 1878/79Im Wintergarten, 1878/79

Nicht anders erging es fünf Jahre später seinen Gemälden Frühstück im Grünen und Olympia. Beide Bilder lösten einen öffentlichen Skandal aus: Eine nackte Frau sitzt mit zwei angezogenen Männern beim Frühstück im Park und eine bildhübsche, unbekleidete Prostituierte räkelt sich lasziv auf einem Bett. Zum ersten Mal wird hier die weibliche Blöße nicht in der idealisierten Gestalt einer Göttin inszeniert, sondern lasterhaft und provokant. Provokant auch der Blick der Frauen, die den Betrachter herausfordernd ansehen. Die ausjurierten Gemälde wurden später im Salon der Refusés (Salon der Zurückgewiesenen) ausgestellt. Auf Initiative Napoleons III. 1863 eingerichtet, bot der Salon abgewiesenen Künstlern und ihren Arbeiten eine weitere Ausstellungsmöglichkeit.

Seite an Seite hängen in der Kunsthalle Manets berühmte Nana, 1877Nana, 1877Nana - Henriette Hauser, eine stadtbekannte Kokotte in ihrem Boudoir - mit Diego Velázquez' Der Philosoph Menippus und Manets Der Philosoph (Bettler im Wintermantel). Manet, der das Bild des Spaniers im Prado sah, nimmt 1865 das Bildmotiv auf und interpretiert es neu. Sein Bettler geht auf den Betrachter zu; die offene rechte Hand bettelt um ein Almosen; die Augen fixieren mit festem Blick den Betrachter. Skandalös auch das lebensgroße Porträt des Schauspielers Jean-Baptiste Faure in der Rolle des Hamlet, galten doch Bühnenkünstler, Prostituierte und Bettler für die damalige Kunstauffassung als bildunwürdige Sujets.

Beeindruckend sind Manets Porträtmalereien von Freunden, Familienangehörigen und der Pariser Bourgeoisie. Darunter das Bildnis des Schriftstellers, Journalisten und Politikers Henri Rochefort, 1907 von dem damaligen Direktor Alfred Lichtwark für die Hamburger Kunsthalle erworben. Ganzkörperporträts von der Schauspielerin Ellen Andrée, Die Pariserin, und von Marcellin Desboutin – ein verarmter Adliger, der sich seinen Lebensunterhalt als Künstler verdiente. Weitere Porträts von Frauen zeigen Berthe Morisot, eine befreundete Malerin des Impressionismus und sein bevorzugtes Modell. Und Victorine Meurent, ein Modell, das Manet als Olympia und als Nackte im Frühstück im Grünen verewigte. Mit Das Frühstück im Atelier, Der Balkon und Im Wintergarten begegnen dem Besucher weitere überaus prominente Werke. Irritierend bei diesen Kompositionen ist die mangelnde Kommunikation der Protagonisten untereinander sowie der fehlende Blickkontakt mit dem Betrachter. Ein letzter großer Erfolg war Manets Bar in den Folies Bergère von 1882.

Die Bar in den Folies Bergère, 1881Die Bar in den Folies Bergère, 1881

Von der Kunstgeschichte wird Manet gerne als Wegbereiter des Impressionismus bezeichnet. Das stimmt nicht ganz, ist doch der 1832 geborene Maler einer anderen Maltradition verpflichtet. Seine Hell-Dunkel-Malerei ist beeinflusst von den Spaniern Francisco de Goya und Diego Velázquez. Manet distanzierte sich damit von dem die Pariser Kunstszene dominierenden Klassizismus mit den Staatsporträts, Historienbildern und antikisierenden Motiven. Er malte das Alltagsleben in den Straßen, Parks und an der Seine, die Pariser Bourgeoisie mit ihren Lebemännern, Kokotten und Prostituierten, das quirlige Leben in der Oper, den Restaurants, Cafés und Varietés, aber auch Bettler und Clochards. Charakteristisch für Manets Bildsprache ist ein starker Farbauftrag, bei dem die Pinselstriche sichtbar bleiben und ihre eigene ästhetische Wirkung entfalten.

Obwohl Manet freundschaftliche Kontakte zu seinen impressionistischen Malerkollegen Claude Monet, Edgar Degas, Auguste Renoir, Berthe Morisot pflegte, gehörte er selbst dieser Stilrichtung nicht an und hat nie gemeinsam mit den Impressionisten ausgestellt. Gleichwohl überDer Balkon 1868/69Der Balkon 1868/69nahm er Anfang der 1870er Jahre deren favorisierte Freilichtmalerei, en plein air, und nutzte sie in seinen späten Alltagssujets: Die Krocketpartie, 1873, Argenteuil, 1874. Die Farben sind heller, die Pinselstriche weicher.

Édouard Manet (1832-1883), Sohn eines Justizbeamten und einer vermögenden Diplomatentochter, war Zeit seines Lebens nicht auf den Verkauf seiner Bilder angewiesen. Vielleicht ist diese finanzielle Sicherheit der Grund für seine Provokation gegenüber der etablierten Kunstauffassung, für seine malerischen Experimente. Manet ist ein künstlerischer Einzelgänger gewesen, ein Provokateur, ein Wegbereiter der modernen Malerei. "Ich male und die Menschen sollen sich die Bilder anschauen – und irgendwann werden sie sich daran gewöhnen", so Manet.

Für den im Oktober in den Ruhestand gehenden Kunsthallendirektor Hubertus Gaßner endet seine Amtszeit mit der spektakulären Schau Manet – Sehen. Der Blick der Moderne. Mit Manets Spitzenwerken aus dem Bestand der Hamburger Kunsthalle und Leihgaben internationaler Museen bietet sich die Gelegenheit, den ganzen Manet vom Frühwerk bis zum Spätwerk zu sehen. Eine Chance, die es in Deutschland seit Jahrzehnten nicht gegeben hat.

Die Ausstellung ist bis zum 4. September 2016 in der Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall 5 zu besichtigen. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag von 10–18 Uhr, Donnerstag von 10–21 Uhr, Montag geschlossen.
Weitere Infos: www.hamburger-kunsthalle.de

 


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