Peter Keetman, (c) Gundlach Stiftung

F. C. Gundlach
Ein Geburtstagspack voller Qualität und ein Augenschmaus

Zum 90. Geburtstag von F. C. Gundlach, dem Kurator und Stifter des 2003 gegründeten "Haus der Photographie" haben die Hamburger Deichtorhallen mit zwei parallel laufenden Fotoausstellungen ein großartiges Paket geschnürt. Die Schauen von Peter Keetman, "Gestaltete Welt", und "The Concept of Lines" mit Bildern von George Hoyningen-Huene, Richard Avedon und Irving Penn feiern einen der einflussreichsten deutschen Fotokünstler, Sammler und Ausstellungsmacher.

Mit Peter Keetman war F. C. Gundlach, wie er im privaten Gespräch bekundete, über Jahrzehnte eng befreundet. So war es auch kein Wunder, dass dieser ihn in seinem Testament als Erben inklusive der Vermarktungsrechte einsetzte. F. C. Gundlach (geboren 16. Juli 1926) verfügt vermutlich über die größte und wertvollste Privatsammlung an Fotografien des 20. Jahrhunderts. Dies verdankt er einerseits seiner umtriebigen eigenen Arbeit als Mode-Fotograf, in der er auch lange Jahre eine eigene Wohnung in New York besaß und dementsprechend Weggefährte und Freund vieler Größen der modernen Fotografie war. Gleichzeitig war er schon damals ein stetiger Sammler der Werke seiner berühmten Kollegen.

Mit Peter Keetman (1916-2005) und seiner Retrospektive ist ein Meister seines Faches zu besichtigen, der lange Jahre in Vergessenheit geraten war. Jetzt zu seinem 100. Geburtstag kann man einen Bildkünstler der Schwarz-Weiß-Fotografie wieder entdecken, der sowohl den Menschen in seiner Zeitlichkeit und Fragilität als auch die Fotografie als Poesie der Abstraktion in seiner Form geprägt hat. "Was die Fotografie mir erschließt, sind Gesetze und Schönheiten. Je tiefer ich fotografierend in die Materie eindringe, um so größere Weiten tun sich auf", hat Keetman als persönliches Credo bezeichnet. Stets war der 1906 in Wuppertal geborene Keetman am Experiment, an der Form und der Gestaltung der Fotografie interessiert. So belegen seine Versuche von Schnee im Schein von einer Taschenlampe seinen Abstraktionswillen und die Lust an der Poesie der Ablichtung scheinbar banaler Inhalte. Im Spannungsfeld von Formwillen einerseits und staunender Faszination für seine Umwelt andererseits gelang ihm mit seinen oft erstaunlichen, manchmal rätselhaften Werken immer wieder die Versinnlichung der Bildidee.

Peter Keetman: Selbstbildnis, Stuttgart 1948 (c) Stiftung F.C. GundlachPeter Keetman: Selbstbildnis, Stuttgart 1948 (c) Stiftung F.C. Gundlach

Zu den Themen, derer sich Peter Keetman über Jahrzehnte immer wieder angenommen hat, gehören die Landschaftsaufnahmen, Naturstudien, Abstraktionen von Material und Strukturen, Technik- und Objektfotografie, Porträts, Bewegungsaufnahmen und fotografische Experimente mit Lichtpendeln. Oft fotografierte er in seinem engsten Umfeld, direkt vor seiner Tür, hinaus aus dem Fenster oder in der Natur. Dementsprechend ist auch die Schau in insgesamt 9 Kapitel unterteilt: Die frühen Jahre sind geprägt von Nationalsozialismus und der Gewalt des Krieges, bei den Themen "Fotoform" und "Stadt in Bewegung" werden seine Abstraktion und Experimentierfreude sichtbar.

Es folgen "Abstraktion und Natur", "Lichtpendel und Schwingungen", "Objekt als Experiment", "Draußen vor der Tür" sowie seine großartige Serie über "Eine Woche im Volkswagenwerk" von 1953. Wie Kurator Sebastian Lux erläutert, hatte „Keetman die Fotografie vom Ruch der Propaganda befreit", wenn er Bilder der Moderne und Abstraktion machte, die die Nazis vorher mit Gewalt unterbunden hatten. Durch Bewegung und Strukturen schuf er eine "gestaltete Welt", wie auch der Name der Retrospektive ist. Mit "Stadt in Bewegung" verewigte er Nürnberg und München, mit Fotos von seriell geformten Kurbelgehäusen, Autodetails und der Struktur von in Reih und Glied aufgestellten VW-Käfern, die er 1953 im Volkswagenwerk in Wolfsburg aufnahm, dokumentierte er den Glanz des beginnenden Wirtschaftswunders.

Er selbst blieb aber immer bescheiden und im Hintergrund. Ganz anders als die Stars der zweiten Ausstellung: George Hoyningen-Huene (1900-1968), Richard Avedon (1923-2004) und Irving Penn (1917-2009), die ebenfalls zu Weggefährten und Freunden von Gundlach gehörten und denen die zweite Schau "The Concept of Lines" gewidmet ist. Sie waren die Stars der Porträt- und Mode-Fotografie in den großen Illustrierten, wie der Vogue oder Harpers`s Bazaar. "Sie haben die Illustrierten-Fotografie revolutioniert und Star-Ikonen portraitiert."

Richard Avedon, Nastassja Kinski and the serpent, Los Angeles, 1981 © Richard Avedon FoundationRichard Avedon, Nastassja Kinski and the serpent, Los Angeles, 1981 © Richard Avedon Foundation

Sie haben mit ihren Porträts ein neues Bild der emanzipierten Frau geschaffen, wie Kuratorin Sabine Schnakenberg erklärt. Linienführung, Glamour und Luxus sind wichtigste Bestandteile dieser Star-Bilder, die Berühmtheiten wie Marlene Dietrich, Nastassja Kinski, Truman Capote oder Joe Lewis in Pose setzten und für immer verewigten. Alle drei sind Glanzpunkte der amerikanischen Fotografiegeschichte. Hoyningen-Huene war ein Meister der innovativen Sachlichkeit, seine Modeaufnahmen waren eine Abkehr der piktorialistischen Auffassungsweise seiner Zeitgenossen. Seine Arbeiten beeinflussten auch Avedon und Penn durch ihre Kühle, Sachlichkeit und Subtilität. Während Penn seine Aufnahmen im Studio vor einer weißen Wand inszenierte, verlagerte Avedon seine Modeaufnahmen häufig in die Natur oder in die Straßenschluchten von New York.

Mit den gezeigten Fotos dieser vier absoluten Stars der Fotografie beweist Gundlach mal wieder, wie einflussreich und vielfältig seine immense Sammlung ist, denn beide Schauen sind reine Sammlungsausstellungen aus dem Besitz von Gundlach. Gleichzeitig attestiert ihm Dirk Luckow, der Chef und Intendant der Deichtorhallen, dass er schon immer einen außerordentlich guten Geschmack bewiesen habe, wenn es um Aufkauf und Zusammenarbeit mit Kollegen vom Fach ging, die ihn für seine eigenen Arbeiten beeinflusst und inspiriert haben.

Die beiden Ausstellungen sind noch bis zum 12. Februar 2017 im Haus der Photographie in Hamburg zu besichtigen. Der Katalog zu Peter Keetman ist im Steidl Verlag erschienen, umfasst 304 Seiten und kostet 48 Euro.

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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