Am Anfang war die Musik
Jamie Lidell „Building a Beginning“

Zum Ende diesen Jahres fängt Jamie Lidell laut seines aktuellen Albumtitels noch einmal neu an. Dies ist sicher eine gute Idee, besonders im Hinblick darauf, dass die Musiklabels zum Ende des Jahres tendenziell gern mehr "Best of"-Alben anstatt Neuveröffentlichungen herausbringen. Doch wer ist dieser Jamie Lidell eigentlich?

Jamie Alexander Lidderdale wurde 1973 im ländlichen englischen Huntingdon geboren und wuchs dort behütet auf. Da mag manch ein Leser durchaus spekulieren, dass er dieser intensiven Ruhe mittels Musik entfliehen wollte. Früh begann er, beeinflusst durch Musiker wie Prince und Funkadelic, Unterricht in Percussion/Schlagzeug zu nehmen und lernte Gitarre sowie Posaune zu spielen. Eine Investition in ein Studioequipment mit Synthesizern, Drummachines und Verstärkern rundeten das Portfolio von Jamie Lidell ab.

Die musikalische Entwicklung startete für Lidell in Stilbereichen des Techno, Breakbeats und Hip-Hop. Die Einflüsse des Soul und Funk kristallisierten sich mehr heraus und die immer kräftiger werdende, leicht rauchige Stimme des Engländers ergänzten diese Entwicklung sehr positiv. Mittlerweile blickt Lidell auf zwei EPs und sechs Alben zurück und lebt, nach Stationen in London und Berlin, jetzt in Nashville in den Vereinigten Staaten.

Building a Beginning, Veröffentlichung Nummer 7, ist seit dem 14. Oktober nun endlich zu erwerben. Doch was beginnt er hiermit? Ich habe mich dafür entschieden, mir diese Frage nicht zu stellen. Für mich "beginnt" mit diesem Werk schlichtweg eines der besten Alben des Jahres. Gern schreibe ich, warum das für mich so ist.

Der Titeltrack leitet mit stimmgewaltigen, aber ruhigen Tönen, angelehnt an die Klänge der 80er Jahre, ein stark und unüberhörbar von Soul beeinflusstes Album ein, das sofort Lust auf das Hören der weiteren 13 Songs weckt. Für mich ist es schwierig, einen Favoriten zu benennen, daher möchte ich einfach die "Highlights" erwähnen, die mich beim ersten Reinhören besonders beeindruckt haben.

Allen Themen voran geht es in den Texten meist um das Thema Liebe und die Verbundenheit zum Gegenüber. How did I live before your love erinnert mit seinen leichten Reggaeanklängen an die 60er Jahre und verbreitet groovige, gute Laune. Die erste Singleauskopplung Walk right back beinhaltet mehr den typischen synthesizergeprägten Klang der 80er Jahre und könnte auch vergleichsweise von Hall & Oates interpretiert sein. Dieser Song bleibt sofort im Ohr hängen und leitet das um einige Beats schnellere Nothings gonna change ein, das den Hörer spätestens jetzt zu rhythmischen Körperbewegungen animiert.

Das anschließende, sehr getragene In love and alone vermittelt mit seinen emotionalen Worten und den dazu passenden, ruhigen Klavierklängen genau diese gefühlvolle Stimmung. Unweigerlich lässt es eine einsame Szenerie mit entsprechenden Bildern im Kopf aufkommen.

Jamie Lidell versteht es ausgezeichnet, mit seiner Stimme, der Musik und den Texten seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Al Green oder Stevie Wonder sind hier als stimmlicher Vergleich berechtigt zu nennen. Der Song Motionless bringt den Hörer wieder in die 60er Jahre zurück und wird von kraftvollen Gospelstimmen begleitet. Der Motown-Sound lässt hier grüßen. I stay Inside klingt indes fast psychedelisch, mutet aber dennoch melodiös an. In Song Nummer 14, Don`t let me let you, singt Lidell davon, ihn nicht gehen zu lassen.

Mich hat er davon überzeugt, genau dem zu folgen, und so steige ich gerne noch einmal in diese sehr emotionale und musikalische Rundreise ein.

Jamie Lidell ist anlässlich des neuen Albums auf Konzerttour in Deutschland, unter anderem am Samstag, 22.10.2016 in Hamburg im Uebel & Gefaehrlich.

Jamie Lidell: Building a Beginning, Jajulin Records (Rough Trade), 14. Oktober 2016

Sabine Vierus
Sabine Vierus
Gebürtige Lübeckerin (1971), seit 2016 die Landeshauptstadt Kiel als neue Heimat gewählt. Ausgeprägte Leidenschaft für Musik seit sie laufen kann. Das umfangreiche Musikwissen hat sie als Kauffrau über zwanzig Jahre im CD-Vertrieb an ihre Kunden weitergegeben. In der Freizeit oft mit der Kamera unterwegs; schreibt einen eigenen Blog. Schwerpunktthemen für "unser Lübeck": Musik- und Konzertrezensionen.

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