Thomas Hegelbrock, Foto: Florence Grandidier

Die Elbphilharmoniker begeisterten - wieder mit Strauss und Strauss-Verwandtem und Mozart

Bei den ersten Takten im zweiten Konzert der Elbphilharmoniker (15. Oktober 2016) hätte man noch einmal ins Programmheft gucken mögen. Ist das, was da zu hören war, nicht doch eines von jenem Komponisten, der schon im vorherigen Konzert so ausgiebig zu hören war, von dem auch noch eines seiner opulentesten Werke später auf dem Programmzettel stand?

Nein, es war kein neues, noch unentdecktes Werk von Richard Strauss, sondern das Opus 12 des Polen Karol Szymanowski (1882-1937). Er wurde später zu einem der bedeutendsten Komponisten seines Landes. Hier aber, in der Konzertouvertüre E-Dur siegte der Einfluss seines Vorbildes, eben der von Richard Strauss. Der ekstatisch aufbrechende Anfang und das wallende Klangschwelgen, die zarten Stellen vom Horn, der Geige, des Cellos, der Oboe und der Schmelz, der in die Höhe geführten Violinen, auch die Polyphonie der Orchesterfarben, all das entschuldigt den Irrtum. Szymanowski hatte in seinem ersten, 1906 uraufgeführten Jugendwerk aber immerhin belegt, dass er mit dem spätromantischen Riesenklangkörper effektvoll umzugehen verstand. Da war er gerade 24 Jahre alt.

Thomas Hengelbrock musste sich dann in Mozarts Klavier-Konzert A-Dur KV 488 mit seinem Orchester gewaltig umstellen. Die kleine, feine Besetzung hatte sich zudem dem Gestaltungswillen des Solisten unterzuordnen. Das tat Hengelbrock auch, ein wenig zu sehr. Der Solist Igor Levit, 29 Jahre jung, ist zwar schon als einer der vielversprechendsten Pianisten in aller Munde und Ohr, überzeugte das Publikum auch mit grandioser Technik und perfekter Spielkultur, konnte aber zumindest den Rezensenten nicht voll gewinnen. Allzu gleichmäßig war sein Spiel, kein Ton war unkontrolliert, keine Phrase übertrieben oder durch Leidenschaft geprägt. Kaum je hat man solch maßvolles Spiel erlebt. Alles passte, auch im Zusammenwirken mit dem Orchester, das dem Solisten wunderbar zuspielte. Diese Homogenität fand großen Gefallen. Und der Solist dankte mit einer ebenso grandiosen Wiedergabe von Bachs Choralvorspiel zu Nun komm‘ der Heiden Heiland. Wie hier die einzelnen Klangregister auf dem Flügel nachgezeichnet waren, war atemberaubend.

Igor Levit, Foto: Felix BroedeIgor Levit, Foto: Felix Broede

Nach der Pause folgte die Programmumkehrung, zunächst noch einmal Mozarts Minimalismus, gefolgt dann von der orchestralen Klangflut der Konzertsuite aus dem Rose nkavalier, jetzt also ein originaler Strauss. Allerdings muss einschränkend vermerkt werden, dass nicht gesichert ist,wer diese Kurzfassung der Oper in klangvollen Highlights nun wirklich geschaffen hat, der Komponist, Artur Rodzińskyi, Dirigent der Uraufführung der Suite im Jahre 1944, oder gar dessen Assistent Leonard Bernstein. Auf jeden Fall war die delikate Instrumentierung der einzigen Schauspielmusik Mozarts, der zu dem Historien-Drama Thamos, König in Ägypten, ein denkbar größter Kontrast zu dem folgenden Klangrausch.

Mit düsteren Akkorden beginnen diese vier Zwischenaktmusiken, die Hengelbrock in einer Abfolge darbieten ließ, die eine Sinfonie nachzeichnete und mit Naturtrompeten und einer barocken Pauke und mit einem sehr schlanken Ensemble licht und leicht wirkte. So überwältigte der spätromantische Riesenapparat umso mehr – das auch, weil die Musiker alle Register zogen, einen wahren Farbrausch zu erzeugen. Feine melodische Gestaltung der unterschiedlichen Linien, großartige dynamische Reaktionen, wirkungsvolle Generalpausen, all das nahm gefangen und fand in der raffinierten Gestaltung der Walzer einen mitreißenden Höhepunkt. Langer, langer Beifall eines restlos begeisterten Auditoriums war Dank und wird die Musiker bis nach Hamburg begleitet haben.

Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

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