Matteo Beltrami

Vom Winter geträumt – Viertes Sinfoniekonzert der Lübecker Philharmoniker

Matteo Beltrami hatte 2013 mit der musikalischen Leitung von Verdis „Macbetto“ auf sich aufmerksam gemacht. Jetzt kam er wieder nach Lübeck. Er ist einer der Bewerber um den GMD-Posten und musste nun im vierten Sinfoniekonzert der Lübeck Philharmoniker (18. / 19. Dezember 2016) seine Fähigkeit für dieses exponierte musikalische Amt der Stadt beweisen.

Jeder Anwärter hat neben einem Operndirigat auch eines auf dem Podium zu absolvieren. Doch der Auftritt mit dem Orchester im Konzert ist zurzeit keine leichte Sache, denn die Rotunde in der MuK stellt besondere Anforderungen. Nicht jedes Werk klingt dort wirklich gut, vor allem das nicht, das auf Klangverschmelzung angewiesen ist. Und gerade da hatte man dem Aspiranten bei der Auswahl der Stücke für sein Programm keinen großen Gefallen getan, auch damit nicht, dass dieses Konzert sich seltener gespielter Werke widmete.

Schon die „Festklänge“ von Franz Liszt zu Beginn, geschrieben vom Komponisten als Musik zu seiner erhofften Eheschließung mit Carolyne von Sayn-Wittgenstein, klangen angespannt, vermittelten durch die klangliche Härte und die allzu straffen marschartigen Partien eher einen dramatischen Eindruck als einen freudvollen. Vor allem im langsamen Teil – vielleicht der Situation geschuldet - konnte der Dirigent sich nicht zu wirklicher Ruhe durchringen. Auch im Polonaisen-Teil herrschte mehr Anspannung als tänzerische Entspannung und Gelassenheit.

Carlos JohnsonCarlos JohnsonIm zweiten Werk, dem Violinkonzert in a-Moll von Alexander Glasunow, stand naturgemäß der Solist im Mittelpunkt des Interesses. Man war hier wieder einmal dem guten Brauch gefolgt, dem Konzertmeister des eigenen Orchesters einen Auftritt zu geben. Und den nutzte Carlos Johnson, seit 2000 in der führenden Position im Orchester, wieder einmal sein großes geigerisches Können zu belegen. Dazu bot ihm diese spätromantische, kompositorisch wie in der Instrumentation raffiniert gestaltete Komposition reichlich Möglichkeiten, die vor allem in der großen Kadenz höchst anspruchsvolle Virtuosität fordert. Mit großer Ruhe und Gelassenheit spielte Johnson seinen Part, immer im engen Kontakt zu seinem Orchester. Man kannte sich, spielte sich die Passagen zu, hatte spürbar Spaß am gemeinsamen Musizieren. Der Dirigent war klug genug, sich hier auf den Zusammenhalt zu beschränken. Wie sehr sich Johnson seinem Orchester verbunden fühlt, war darin zu ersehen, dass er seine Zugabe mit den Streichern zusammen vorbreitet hatte und als Primus inter Pares auch leitete. Es war eine Komposition der österreichischen Komponistin Maria Theresia Paradis (1759 – 1824). Mit drei Jahren war sie erblindet und dennoch als Pianistin mehrjährig auf Europatournee. Von dieser erstaunlichen Künstlerin hatte Johnson die „Sicilienne“ in einer Fassung für Violine und Streichorchester für seine Zugabe gewählt und bot sie erstaunlich klangschön.

Peter Tschaikowskys erste Sinfonie in g-Moll, mit dem Beinamen „Winterträume“, war der letzte große Prüfstein in diesem Konzert. Sie wird manchmal als Talentprobe abgetan, zeigt aber dennoch in vielen Partien Tschaikowskis späteres Können. Beltrami packte das Werk sehr agil an und das Orchester folgte virtuos und spielfreudig. Dennoch klang der zweite Satz zu gleichförmig, auch schleppend. Ein wenig mehr Klangsinn hier und an anderen Stellen hätte manche Schwäche der Komposition ausgleichen können, etwa bei dem Einsatz der Hörner. Dort dämpfte Beltrami die Begleitstimmen zu sehr. Dennoch ließ sich das Publikum vor allem im letzten Satz mit seinen markanten Themen mitreißen. 

Titelbild: Matteo Beltrami/ Wikimedia

Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

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