Liv Ullmann als Laudatorin für den Debütfilmpreis

Die Filmgala 2023 der Nordischen Filmtage Lübeck
Alle Augen auf Liv Ullmann

Sie war der absolute Star der diesjährigen NFL: Liv Ullmann. Seit 40 Jahren Ehrenvorsitzende der Filmtage und ein bescheidener, aber herzlicher Filmstar. Mittlerweile ist die Schauspielerin und Regisseurin aus Norwegen 84 Jahre alt, aber immer noch bezaubernd, freundlich, schön und aufrecht, den Menschen zugewandt. Kein Wunder, dass alle Welt sie ablichten wollte oder zumindest neben ihr auf dem roten Teppich stehen, wie zum Beispiel unser Bürgermeister Lindenau.

Vor der Fotografenwand hatten Susanne Kasimir und Thomas Hailer alle Hände voll zu tun, um die Stars und Promis vor den Kameras zu gruppieren. Ein Schaulaufen im Akkord. Von der fröhlich-frechen Kinderjury bis zum Gläser schwenkenden Film-Cast.

Der Bürgermeister und der FilmstarDer Bürgermeister und der Filmstar

Dann begann die Preisverleihung unter der wiedermal souveränen Leitung von Carola Stern und der schwungvollen Musik vom Benny Brown Quintett. Auf die Frage, was denn sein schönster Moment der Filmtage gewesen sei, antwortete Film-Chef Hailer: Der Moment, wo sich Liv Ullmann zum zweiten Mal in das goldene Buch der Hansestadt Lübeck eingetragen habe und ihre lobenden Worte für die Stadt: „This City is given happiness“.

Das die Liebe zum Film universell und überall als globaler Zusammenhalt gefeiert werden sollte, stand als Dank an alle Filmemacher/innen im Vordergrund der Preisverleihung. So wurde der Kinderfilm von Aurora Grosse (Dancing Queen) mit „Never give up your dreams“ von der quirligen Kinderjury überreicht. Die Jugendjury zeichnete den Film „Paradise is Burning“ von Mika Gustavsson aus Schweden aus, der auch noch den Kirchenfilmpreis erhielt. Die 16jährige Hauptdarstellerin der Film-Laura (Bianca Degavo) konnte also zwei Backsteine in Empfang nehmen.

Die Hauptdarstellerin (Bianca Degavo als 16jährige Laura) aus 'Paradise is burning' konnte gleich zwei Backsteine abholenDie Hauptdarstellerin (Bianca Degavo als 16jährige Laura) aus 'Paradise is burning' konnte gleich zwei Backsteine abholen

Für den besten Kinder- und Jugendfilm des Festivals sprach das Jury-Mitglied Christine Simsone den Preis dem norwegischen Film „Listen up“ von Kaveh Tehrani zu. Dann wurden noch die Preise für die Kurzfilme und Nordic Shorts vergeben: Gösta-Petter-Land aus Schweden und Invisible Nights von einem Künstlerkollektiv aus Deutschland. Dann wurde es überraschend bunt und krachig auf der Bühne: Die DJane Branda Lee servierte einen knallharten und rhythmischen Elektro-Set, der die Jüngeren auf den Stühlen wippen ließ, während einige Honoratioren verwundert auf die grelle Bühne starrten.

Krasser DJ-Set von Brenda LeeKrasser DJ-Set von Brenda Lee

Danach war der Dokumentarfilmpreis der Gewerkschaften dran, den Bettina Fuchs vom DGB präsentierte: Mrs. Hansen & The bad Companions von der dänischen Regisseurin Jella Bethmann wurde ausgezeichnet über ein Haus für Arme und Obdachlose, die bei Frau Hansen auf Empathie und Liebe stoßen. Auch der Baltische Filmpreis ging an Dänemark: „The quiet Migration“ von Marlene Choi über einen Adoptiv-Sohn mit südkoreanischen Wurzel in der dänischen Provinz. Der begehrte Publikumspreis ging an die Co-Produktion aus Norwegen, Schweden, Finnland und Deutschland „Let the river flow“ von Ole Giäver, in dem es um die Rechte der Sami-Minderheit geht.

Die Macher von 'Practice'Die Macher von 'Practice'

Dann überraschte der Auftritt der Hauptdarstellerin aus dem Roadmovie „Practice“ von Laurens Perol, die in dicker Daunenjacke mit Gepäck und Trompete die Bühne eroberte. Im Film trampt sie von den Lofoten bis Oslo, wo sie ein Vorspielen in der Oper hat. Aus Umweltschutzgründen lehnt sie das Fliegen ab, also stapft sie durch Regen die einsamen Straßen entlang und übt im Kuhstall oder einer Kirche. Selbst der Regisseur Laurens Perol war nach Lübeck getrampt. Dafür gab es den Filmpreis als bester Debütfilm von den Filmfreunden der Filmtage. Ganz zum Schluss wurde dann noch der Haupt-Spielfilmpreis vom NDR vergeben. Er ging dieses Jahr an den kuriosen Weihnachtsfilm „Family Time“ der Finnin Tia Kouvo, der die Höhen und Tiefen des alljährlichen Festes unter drei Generationen zeigt. Danach waren alle 11 Preise und insgesamt 65.000 Euro verteilt und alle Preisträger, Laudatoren, Macher und Geldgeber des Festivals wurden für das große Schlussbild auf der Bühne gruppiert.



Zum Schluss noch zwei persönliche Anmerkungen von mir. Etwas typisch für die gegenwärtige Straßenbau-Problematik in Lübeck: standen doch direkt vor dem Theater noch Baucontainer, die wenig einladend für eine Gala sind und vorher weg geschafft gehörten. Und mit Sehnsucht und wehmütiger kulinarischer Erinnerung muss ich immer wieder an die wunderbaren Zeiten denken, als es noch den Abend der nordischen Film-Institute im Schuppen 9 gab, wo leckere maritime Fisch-Häppchen gereicht wurden und man sich fröhlich mit trinkfesten Skandinaviern betrinken konnte. (Gruß an Fredrik Thor Frideriksson). Heute steht man am Büfett der Filmtage und bekommt wenig abwechslungsreiche und geschmacksneutrale vegetarische Küche vorgesetzt. Ich liebe gut gemachte vegane und vegetarische Köstlichkeiten, wenn sie dann auch so liebevoll und divers gewürzt daherkommen. Vielleicht sollte man einmal den Wechsel des Anbieters des Essen ins Auge fassen.


Fotos: (c) Holger Kistenmacher

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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