Devendra Banhard auf Kampnagel
Ein Konzert zwischen schön schräg bis erfrischend verwirrend

Erst zieht es sich hin, bis der Support John Moods und seine beiden musikalischen Mitstreiter/innen die Bühne mit einem beherzten „Hello“ singend betreten. Der deutsch-polnische Sänger/Gitarrist und seine Begleitung aus Flötistin und weiterer Akustikgitarre scheinen irgendwie auf Glückspille zu sein.

So strahlen sie und erzählen und singen sie von Liebe, Freude und Frieden in dreistimmigen Gesang wie einst die Hippiegrößen von Crosby, Stills, Nash & Young. Dazu wippt John Moods unablässig etwas seltsam auf Zehenspitzen und erzählt, wie aufregend alles sei, mit Banhard auf Tournee zu sein und in so wunderbaren Theatern wie hier auf Kampnagel spielen zu dürfen. Man wünscht sich, etwas von dem, was die drei Sangesbarden im Tee hatten zu bekommen.



Dann eine Umbaupause und endlich betritt Devendra Banhard mit seiner famosen vierköpfigen Band die Bühne zum entfesselten psychedelischen Konzert: schön schräg und erfrischend verwirrend. Von dem 42 jährigen Musiker von der kalifornischen Westküste ist bekannt, dass er ausgiebig musiziert auf seinen Konzerten, aber gleichzeitig auch gerne mit seinem Publikum plaudert, so auch auf Kampnagel. Erst witzelt er mit seinen schlechten Deutschkenntnissen rum, dann fordert er sein Publikum auf, sich selbst einen Witz auszudenken. Als sich dann ein junger Mann meldet und seinen Joke auf der Bühne vorträgt: „How do you call a man who likes to sit in cars?“, erntet er Gejohle und Gelächter für seine Antwort: „Carmencita“ und die Band beginnt sofort diese spanische Nummer zu spielen.

Überhaupt schlängelt sich die Band durch ein englisch-spanisches Programm. Kein Wunder, denn die Ursprünge von Devendra Obi Banhard sind seine venezolanisch-deutsch-amerikanischen Hippie-Eltern, die ihren Sohn nach einer indischen Gottheit und einem Charakter aus Star Wars benannt haben. Banhard verehrt Hildegard von Bingen, Caetano Veloso und Grace Jones und ist selbst ein bärtiges Gesamtkunstwerk, das sich Gender-mäßig nicht richtig festlegen will. Er ist praktizierender Buddhist und spielt mit seinem Geschlecht und tritt gerne einmal im Kleid zum Vollbart auf. So auch auf dem Cover seines neuen Albums: „Flying Wig“, das er mit der walisischen Musikerin Cate Le Bon aufgenommen hat.

Seit 2002 prägte er als Psychedelic-Folksänger die sogenannte „New-Weird-Americana“-Bewegung maßgeblich mit. Mit verpeiltem Gesang, verträumten 80er-Synths, funky Gitarren. Sein neues Album lenkt er dann aber mehr in Richtung „Psychedelic-Dark-Pop“, das so düster ist, dass die Traurigkeit nicht mehr überhört werden kann.

Gleichwohl bedient Banhard sein Publikum mit seiner sehr gereiften Stimme und dem wunderbaren Vibrato mit Brian Eno-Sound ebenso wie mit einer Madonna-Nummer. Als coolster aller Indie-Hipster mixt er seine Melange aus Folk, Samba, Rock und Synthie-Pop. Aber auch sein walisischer Musiker H. Hawkline darf sein grandioses „Milk for Flowers“ vortragen. Dann wiederum kann der wandelbare Sänger mit schneidenden Synthiegeräuschen aus den frühen Achtzigern etwa bei „Twin“ seine Stimme scharf ins Falsett kippen.

Aber auch fast schon flüsternd bringt er danach sein „Sightseer“ mit kühlen Synthiarrangement auf die Bühne. Er wirft sich auch schon einmal vor dem Schlagzeuger auf die Bretter und singt im Liegen oder zelebriert alte Klassiker wie „Baby“, „Love Song“ oder „Mi Negrita“. Und ganz zum Schluss ein weiteres Highlight mit „Seahorse“ als epische Zugabe mit kurzem Metal-Einschlag. Ein kurzweiliges Konzert zwischen Melancholie, viel Show und Geplauder und sich steigernder, poppig aufgekratzter Stimmung.

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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