Kollektiv UrbanProjection
Hotel Heimat 2.0

Mit Beginn der diesjährigen 65. Nordischen Filmtage findet im Hotel zur alten Stadtmauer in der Lübecker Altstadt zum zweiten Mal die multimediale Inszenierung „Hotel Heimat“ vom Kollektiv UrbanProjection statt. Mit künstlerisch-kreativem Ansatz gibt das Projekt Einblick in das Befinden von Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern, lässt ahnen, wie Leben und Welt sich für Geflüchtete darstellen, anfühlen, wie ausgehalten werden kann, was muss. Eine Nähe durch innere Perspektive, wie sie in der regulären medialen Berichterstattung meist fehlt.

Hotel ist, wenn man Urlaub macht. Freizeit, Erholung, Tapetenwechsel, Anreise, schließlich Rückreise nach Hause, den Ort, den man in sich trägt, der Prägung ist und Lebensraum: Heimat. Dorthin nicht zurück zu können, ihn verlassen zu müssen, um Leben zu bewahren, ist für jeden Sesshaften ein kaum zu bezeichnender Verlust. Kein Boden mehr unter den Füßen, freier Fall, ein unvermitteltes Nichts.

Zum ersten Mal zu sehen im März dieses Jahres während der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“, stieß die außergewöhnliche Art der Auseinandersetzung mit dem akuten Thema auf viel positive Reaktionen. „Impuls für die Projektidee war die Invasion Russlands in der Ukraine“, erzählt Projektleiterin Andrea Bohacz vom Kollektiv UrbanProjection. „Tausende, inzwischen Millionen Menschen mussten ihre Heimat verlassen und irgendwo Zuflucht finden.“

Aus den Mutterböden

Ankommen in einem neuen Land, dessen Sprache, Kultur und Regeln man nicht kennt. Eine Chance auf neue Heimat? Was packt man ein, wenn man sehr schnell sein Zuhause verlassen muss? Fragen, anhand derer das UrbanProjection-Kollektiv sich zu orientieren begann. „Erinnerungen werden über die Sinne geweckt“, erläutert Bohacz, „ein Geruch, ein Geschmack, eine Melodie oder ein Bild. Welche sind das? Heimat ist für jeden Menschen etwas anderes.“

Bei Ali Kamran etwa, heute 25, der vor acht Jahren aus Afghanistan nach Lübeck kam, wecken Kinderstimmen vom Spielplatz Erinnerungen an Zeiten, als er als Kind noch unbekümmert auf den Straßen seiner Heimat spielen konnte.

Wie Ali Karam begegn(et)en sich im Hotel zur alten Stadtmauer Menschen unterschiedlichster Herkünfte – Syrien, der Ukraine, Brasilien, Österreich, Afghanistan, die Niederlande, die (scheinbar) nichts gemein haben als die Erfahrung der Entwurzelung, herausgerissen zu sein aus den Mutterböden.

Hotelbesitzerin Silke Langmaak, die sich seit Langem für Geflüchtete einsetzt, erfuhr von der Projektidee und bot an, die Räumlichkeiten des Hotels für die begehbaren, sinnlich erfahrbaren multimedialen Installationen zur Verfügung zu stellen. Filmporträts, Audioinstallationen, Koffer-Kunst, Spiel-artiges, raumgreifend und darüber hinaus, kleinteilig und verborgen andererseits, getragen, dann auch humorvoll und gern doppelsinnig, viel Überraschendes in mancher Hinsicht – ein großer Topf in der Küche etwa ist ein Exponat, dessen Inneres als ideale, sinnstiftende Projektionsfläche für einen Videokurzfilm dient.

Der Gang durch die Inszenierung kann zum Aufenthalt werden, die gerade, unaufgeregte Gastlichkeit der Hotelfamilie und Helfer:nnen lädt ein. In jeder Hinsicht ist hier spürbar, worum es geht – Leben!

Hotel Heimat
01.11. bis 04.11.2023
Hotel zur alten Stadtmauer, An der Mauer 57, 23552 Lübeck
Täglich 17:00–21:00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Ein Projekt von Kollektiv UrbanProjection in Zusammenarbeit mit fund:us.

Rolf Jäger
Rolf Jäger
Geb. 1958, freischaffender Teilzeit-Journalist im Großraum Kultur - Musik, Film, bildende Künste, Literatur. Professioneller Musikjournalist 1996-2006 (Intro, Jazzthetik, Rolling Stone, LN, Badische Zeitung u. noch paar a.m.), Kulturschaffender bei www.wolkenkuckucksheim.tv, Gitarrist seit kurz nach Konfirmation.

Sie haben keine Berechtigung hier einen Kommentar zu schreiben.